The Work II

Das letzte Wochenende haben Gerhard und ich wieder in Schrems in der wunderbaren Gea Akademie verbracht (die Gästezimmer sind echt ein Traum!!). Wir waren beim „The Work“ Fortgeschrittenenseminar mit Anton Dicketmüller. Ich habe ja bereits im Beitrag über das erste Seminar  letzten Juni  ausführlich die Methode von Byron Katie „The Work“  beschrieben. Eine Methode zum Bearbeiten von belastenden Glaubenssätzen. Von denen wir alle genug im Kopf haben.

Was habe ich wieder alles gelernt!

Einmal mehr war in aller Deutlichkeit zu erfahren, wie sehr wir Menschen mit unseren Dramen verflochten sind. Unglaublich, wie wir diesen Geschichten ein Leben lang verbunden bleiben. Wir werden als Kind geschlagen – und in Gedanken schlagen wir uns ein ganzes Leben lang. Unser Vater hat uns nicht geliebt, als wir klein waren und wir hecheln seiner Liebe nach, auch wenn er schon seit Jahrzehnten gestorben ist. Ich war als Kind im Brutkasten und kein Mensch hat sich um mich gekümmert! Ich war im Keller eingesperrt und von aller Welt vergessen! Ich bin so allein! schreien wir mit 40, 50 Jahren immer noch in die Welt hinaus und sehen dabei nicht, wie sehr wir die Menschen in unserem Leben rund um uns allein lassen und erst gar nicht wahrnehmen.

Freilich bei anderen sehen wir das immer schneller als bei uns selbst. Wir sehen nicht nur die Macht der früheren Verletzung, sondern auch den Gewinn, mit dem Menschen ihre Dramen immer weiter am Köcheln halten. Wie aufregend diese Geschichten sind, die uns beim Zuhören sogleich in ihren Bann ziehen und uns zutiefst berühren. Das Leben ist voll dieser Geschichten. Wir sind Opfer, klagen wir bitter,  und das rechtfertigt uns, bei unseren eigenen vielleicht verletzenden Handlungen weniger genau hinzuschauen. So dreht sich das Kreisel weiter und weiter, wird verletzt und wieder verletzt. Bewegen wir uns weiter in unseren Albträumen und Tragödien und kreisen immerzu um unser armes kleines verletztes Ego.

So ticken wir alle

Um eins richtig zu stellen, so ticken wir alle. Das ist kein Vorwurf.  Ohnehin ist es weit hilfreicher zu schauen, was uns aus diesen Mustern – wenn wir sie erstmal erkannt haben –  hinaushelfen kann. Und damit sind wir beim Ziel des Seminars, das diesmal den schönen Titel trug : „Lieben, wer ich bin“.

Ja, es gibt Methoden, uns aus diesen Schlamassel unserer Überzeugungs-Märchen, die wir uns wieder und wieder erzählen, zu befreien. Und ja, wir können bewusster werden und uns von unseren Dramen lösen. The Work ist eine Methode, die wirkt. Mit nur 4 Fragen und der Umkehrung dazu, mit einem Hineinspüren in das Sein mit und ohne diesen „Zauberspruch“ und dem abschliessenden Herumdrehen der Aussage, wird uns klar, dass wir uns selbst gefesselt hatten.

Ein paar Zitate von Katie Byron:

Das Schlimmste, was jemals passiert ist, ist ein nicht hinterfragter Gedanke. * Die Realität ist immer freundlicher als die Geschichte, die wir über sie erzählen. * Die Realität ist Gott, weil sie regiert.* Wenn ich ganz klar bin, ist das, was ist, das, was ich will. * Ich lasse meine Überzeugungen nicht los – ich hinterfrage sie. Dann lassen sie mich los. * Niemand kann mich verletzen. Das ist meine Aufgabe. *Wenn du Stress haben willst, mache einen Plan.

Ein paar weitere Splitter, die ich aus dem Wochenende mitgenommen habe:

Ein Gefühl ist die Folge einer Geschichte – dh. die Geschichte ist die Ursache für ein Gefühl. * Bei „the Work“ würdigen den Teil in uns, der den negativen Satz glaubt. * Wenn wir die negativen Gedanken freundlich behandeln, dann wagen sie, es sich zu zeigen. * Sind wir in der Angelegenheit („business“) anderer, macht uns das völlig hilflos und unfähig, klar zu sehen. * The Work ist Meditation, Kommunikation mit dem Herz. * Die Methode funktioniert nicht, wenn du ein Motiv hast, etwas loszuwerden. Mach sie einfach und schau was geschieht. * Der Zauberspruch klebt an mir – oder:  ich klebe an dem Zauberspruch? In letzterem Fall kannst du das verändern. * Opfer sind oft sehr aggressiv. * Ich brauche deine Anerkennung, stimmt das? *Einverstanden sein, heisst:  im Himmel sein – die Realität anders haben wollen:  in der Hölle. * Bemerke, wie ein Glaubenssatz klammert, eng macht, kontrolliert, zensuriert. * Rechtfertigung und Verteidigung sind beides Schritte von Krieg. * Du kannst das Märchen über dich neu schreiben.  * Das, was man den anderen unbedingt sagen muss, sollte eineR bei sich selbst gut anschauen. * Was wäre ich ohne den Gedanken, mein Glück hängt von jemand anderem ab…? * „Ja aber“ geht raus aus dem Prozess und rein in die Geschichte.

Eine feine Gruppe …

Die Gruppe war sehr fein. So viele nette Menschen. Die bearbeiteten Glaubenssätze klangen wie ein Sittenbild der Gesellschaft der 60er und 70er Jahre. Ich hatte sie alle noch im Ohr: „wenn du was sagst, dann sag was G’scheites“, „du muss das alles alleine können und regeln“, „Gefühle zeigt man nicht“. „du musst dich plagen“, „es muss schwer sein, sonst taugt es nichts“, „ohne Leistung kein Wert“, „du bist zu nichts zu gebrauchen (…wie ein Haushaltsgerät)“, „du darfst nicht schwach sein.“   Aber auch die neueren, immer noch aktuellen Überzeugungen klingeln gut:  „ich muss in der Früh gut drauf sein“, Ich muss immer glücklich und zufrieden sein“. „krank sein, heisst, dass du etwas falsch gemacht hast. selber schuld“.  und so weiter und so fort.

… grossartig betreut

Anton hat die Gruppe wieder souverän begleitet. Gleich zu Beginn des Seminars hat er die gekonnte Praxis von The Work gezeigt, nämlich wie man sich auf Unerwartetes gut einstellen kann: Das ist jetzt also die Realität und damit ist es richtig so, wie es ist. Auf dieser Basis hat  er trotz vielfältiger Ausgangspositionen und Zugänge spannendes Lernen für alle möglich gemacht und grossartig improvisiert. Die Abwechslung von Kurzinputs, Gesamt-Gruppenarbeit und „Vorführ-works“ war wieder ideal. Anton kannte nach kurzer Zeit alle Teilnehmenden  per Namen und hatte gut im Blick, ob jede und jeder auch den für sich passenden Teil mit nach Hause nehmen könne. Seine umwerfende Ehrlichkeit bleibt mir besonders in Erinnerung und ist mir Vorbild, wie eineR mit gemachten Fehlern locker und authentisch umgehen kann.  Er und auch seine liebenswürdige Begleiterin Manuela bot selbst in den Pausen noch zusätzliche Einzelsitzungen an. So war für die Gruppe bestens gesorgt. Auch das Skriptum soll als wertvolle Quelle nicht unerwähnt bleiben.

Teile von Antons Anleitung zur Morgenmeditation haben mir besonders gut gefallen:

… Schau dir die Geschichte (der Gedanken)  an. Gib ihr einen Namen. Bedanke dich bei ihr, dass sie ihr ganzes Leben mit dir verbracht hat und schau, wie sie dorthin zurückgeht, woher sie gekommen ist. …. Sei geatmet.

Beziehungs“work“

Gerhard und ich haben eine Menge mit heim genommen. Wir hatten – als einziges Paar –  die Aufgabe übernommen, mit the Work einen Konflikt vor der Gruppe zu bearbeiten. Das war ganz schön spannend und hat ein paar zähe Beziehungsmuster gut aufgezeigt und – hoffentlich nachhaltig – angeknackst. Im übrigen bin ich ja total begeistert, dass Gerhard überhaupt für solch innovative Methoden offen ist und wir gemeinsam zu solchen Seminaren fahren. So ein Prachtmann!

So werden wir uns in nächster Zeit auch wieder öfter im Alltag bei irgendwelchen Aussagen ein liebevolles, leicht ironisches „stimmt das?“ „bist du dir ganz sicher, dass das stimmt?“ entgegensetzen und uns so daran erinnern, wie hilfreich das Infragestellen unseres Denkens ist. Und wenn wir wieder mal so richtig in Wut geraten über die Welt im allgemeinen und Menschen im besonderen, dann machen wir das Fragespiel von the Work. 

Trauriger Anlass zum Üben sind derzeit ja die Ereignisse in Japan. Da kommt unser Verstand ins Rotieren, statt dass wir unser Herz reagieren liessen. Ohne wenn und aber…  Dieses Thema ist mir ausserdem für einen lockeren Blogbeitrag zu schwer.  Also zum Ende.

Liebe Manuela und lieber Anton. Falls ihr das gelesen haben solltet:  Grosses Danke nochmal und schöne Zeit!!!
– das stimmt sicher 🙂

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