Herrliche Hospiztagung
Donnerstag, Oktober 3rd, 2024 von ulliGestern war sie wieder, die jährliche Hospizenquete des niederösterreichischen Landesverbands für Hospiz- und Palliative Care. Immer ein Highlight. Einmal im Jahr dürfen auch wir Ehrenamtlichen der Hospizbewegung im Sitzungssaal des Landtags in St.Pölten sitzen. Wir sitzen auf den Stühlchen der Landtagsabgeordneten, schauen aus ihren Fensterchen auf die Traisen und essen aus ihren Tellerchen mit dem Landeswappen. Und hören den ganzen Tag hochspannende Vorträge von nationalen Expertinnen und Experten auf unterschiedlichste Art und Weise gehalten. Hochprofessionell organisiert. Ich bin gestern bei der Rückmeldung zur Veranstaltung gar nicht aus den Superlativen rausgekommen. So begeistert war ich. So begeistert waren alle.
Schon das Thema war besonders: LIEBEnde. Liebe am Ende des Lebens. Begleitet von Harfenmusik ging es um 9 Uhr los und folgte ein spannender Vortrag nach dem anderen bis 17:00 Abends. Dazwischen stärkende Kaffeepausen in guter Gesellschaft und die Einladung zu einem guten Mittagessen. Da fühlt eine sich in Ihrem Tun wertgeschätzt.
Ich habe sehr viel mitgenommen. Viele interessante Blickwinkel, Zusammenhänge und schöne zum Nachdenken anregende Weisheiten. Und das Resume: dass Medizin und Pflege während und am Ende des Lebens nicht nur fachlicher Kompetenz sondern auch der Wertschätzung, mitfühlenden Sorge und des Gesehen Werdens von Mensch zu Mensch bedarf. So sei es!
Hier findest du die Nachlese, teils sogar mit den Folien der ReferentInnen. Besonders hervorheben würde ich – als besonders persönlich bereichernd für mich – die Vorträge von Giovanni Maio, Franz Schmatz, Bardia Monshi, Tilli Egger und Uschi Pechlaner.
Ein paar Stichworte aus meinen Mitschriften:
zum Vortrag von Franz Schmatz „Selbstliebe – der Beginn einer lebenslangen Romanze“ – es braucht „kreative Stille, achtsames Hinhören und liebevolles Tun“ – „Licht und Dunkel wie Geschwister, die sich an der Hand halten“ (ein Bild in der Kathedrale Notre-Dame von Chartres“ – „Gib mir ein hörendes Herz“ (wünscht sich der junge König Salomo von Gott. Nicht Reichtum, nicht Ruhm und Macht, kein langes Leben sondern ein hörendes Herz.) – „Begleite mich im Sterben, dann lehre ich dich das Leben“ – „Stärker als Hoffnung (mit ihrem Gegenteil Angst) ist Zuversicht, die feste Gewissheit, dass alles gut wird“.
Bardia Monshi („Sie merkens gleich am Namen, ich bin ein echter Wiener“) : „Vital sterben? Wie wäre das?“ – „Entsprechend Wittgensteins Zitat `worüber man nicht sprechen kann
` werde ich gezielt am Thema vorbeireden“- „Verliebtheit (ich liebe dich, weil…) entwickelt sich zu Liebe (ich liebe dich, obwohl..)“ – „Kinder erleben Zeit als länger wegen BEP = biografischer Episoden (zum ersten Mal erlebte Dinge) im Unterschied zu Erwachsenen mit KEP = kulturellen Episoden (Routinen, Gewohnheiten, Wiederholungen)“ – „Den Kleinen erzählt man Geschichten zum Einschlafen, den Grossen zum Aufwachen“ – „Der Tod ist der Vergolder der Lebenszeit, Vergänglichkeit macht das Leben kostbar“ – „Der Tod ist wie die Liebe, er nimmt alle bedingungslos auf“ – „Wer bist Du? Die Geschichte, die du Dir über Dich selbst erzählst“.
Weiteres kannst du bei seinen Folien entdecken, die Zitate von Viktor Frankl; die Aufstellung des Zusammenhangs von Sinn/sinnlos und Lust/Schmerz; die Folie zum Zusammenhang von Sinn im Leben und der Reduktion von Entzündungen;
und total nett das Gespräch mit seinem kleinen Pudel Milli zu den „Orten mit Liebesgeschichte“, wo wir uns geborgen-weil-verbunden fühlen mit der schönen Liebeserklärung „ich bin dein Wasser, du mein Fels“. (Hier ein kleines Video zu Monshis grossartigem Projekt Milli und Papa Bär)
Lieben brauche die „Bereitschaft, sich zutiefst verletzlich zu machen“, von „Leidensleistung“ lässt sich sprechen, wenn Leiden als sinnvoll erlebt und damit ertragbar werde. Monshi spricht von „pragmatischer Spiritualität“ auf der Suche nach „welche Geschichte hilft mir gut zu leben“..
Das kann ich dir auch gleich sagen: Der auf seinen Folien angeführte Link zur Buchvorbestellung www.milli-und-ihr-papabaer.at führt leider in die Leere. Da wartet noch ein Projekt in Gelassenheit auf seine Vollendung. Passt gut zu Bardia Monshi, dessen Namen ich mir merken will.
Tilli Egger, eine 84 jährige weise Frau: „Wie sieht mein Liebesblick aus?“- „Ansehen heisst von allen angesehen sein“ – „Um Beziehung herzustellen braucht es Augenkontakt – einen Augenblick.“ – „PC ist vielleicht im Medizinischen öfter ein Schutzschild, um sich nicht das Leiden der PatientInnen ansehen zu müssen, das von ÄrztInnen vielleicht als Scheitern empfunden wird.“ – „Unseren eigenen (An)Blick sehen wir selbst nicht, vielleicht ein Grund, dass sich so viele ins Gesicht greifen? – um zu sehen, dass wir eines haben?“ – Ein „Sorgeblick“ ist nicht hilfreich im Umgang mit dem Leiden anderer, genausowenig wie der „Hoffnungsblick“, der „entgeisterte Blick“, der „Vorwurfsblick“ oder „Fürsorgeblick“. Zuviel „ehrlicher Blick“ kann die „Frechheit“ beinhalten „zu wissen, was der/die andere braucht“ (auch in Beipackzetteln kann zu viel Ehrlichkeit mehr schaden als nutzen, ihn zu lesen ist oft „schade um das Augenlicht“!). Der Vorwurf „geh sei nicht so“ „stampft uns noch in den Boden hinein“. – Wenn wir nicht so gesehen werden, wie wir sind, werden wir ausgegrenzt. So geht es auch paradoxerweise den oftmals in den sozialen Medien präsentierten „Hochglanzkindern“ oder Hochglanzmännern“. -Scham ist eine existentielle Entwertung und wirkt sich sogar negativ auf Immunabwehr aus. Erinnern wir Älteren uns an das nicht gewählt werden beim Völkerball oder in der Tanzschule..
Du siehst, diese Frau hat etwas zu sagen, ohne Folien und Handout..
Ich hätte noch ein paar Seiten Mitschrift, aber ich lasse es gut sein.. Ich werde sie ein andermal weiter durchgehen.. ich hoffe, du hast Freude mit dem Geteilten!
Nachtrag: Solltest du offen sein für buddhistische Weisheit, dann hier noch eine Empfehlung hinzuhören: Ayya Khema bespricht in ihrem Vortrag „Die drei guten und die drei bösen Wurzeln“ Liebe als eine Qualität, die in uns vorhanden sei wie Intelligenz. Liebe werde oft missverstanden als auf jemand oder etwas gerichtet. Doch vielmehr ist sie eine Haltung der Welt gegenüber. Und noch dazu eine, die entwickelt und trainiert werden kann. Das macht Sinn.