Eine schöne Geschichte
Donnerstag, April 3rd, 2025 von ulliIch bin eben von einem 3 Wochen Retreat mit Renate Seifarth im Haus Engl zurück. Ein Abenteuer. Ich könnte viel über diese drei Wochen schreiben. Aber lieber erzähle ich dir, was gestern passiert ist. Ich sehe das als Ergebnis, als direkte Folge dieser dreiwöchigen Auseinandersetzung, als eine Art Ernte. Da ist etwas reif geworden.

Gestern fahre ich wie jeden Mittwoch nach Krems ins Museum. Mit der netten Kamptalbahn. Ich habe mein Handy vergessen und schaue in die schöne Landschaft. Es ist fein ruhig und gemütlich.
Da geht weiter hinten ein Handy los. Oder spricht da nur jemand laut? Nein, es ist ein künstliches Gespräch und es scheint eine Art Sprachkurs zu sein. Schon zum dritten Mal wird monoton der gleiche Satz auf deutsch gesprochen und auf englisch wiederholt. Oh, das nervt. Meine Ruhe ist in Gefahr. Aber ich bin doch so gelassen nach diesen drei Wochen! Kann mich sowas wirklich stören? Ja. Es stört.
Ich drehe mich um und sehe sehr weit hinten einen Mann sitzen, der konzentriert das laute Handy ans Ohr hält. Er fängt meinen Blick auf. Ich halte den Finger an den Mund. Bitte um Ruhe. Er reagiert sofort und macht leise.
Und dann ist da ein Impuls. Ohne lange zu denken, stehe ich auf und gehe nach hinten. Der Mann ist irritiert, glaubt vermutlich, es kommt noch mehr Kritik.
Aber nein, ich lächle ihn an und frage, ob er einen Sprachkurs macht. Und als er ja sagt, meine ich, dann wäre es doch besser, wenn er mit mir sprechen würde. Da würde er sicher mehr lernen. Ob er das möchte? Er lächelt erfreut und ist überrascht, ja sicher mag er. Ich gehe meine Sachen holen und setze mich zu ihm.
20 Minuten später steige ich in Krems aus dem Zug. Ich winke Herrn G. herzlich zu. Er winkt herzlich zurück. Was für eine Begegnung! Eigentlich ein Wunder.
Ich kenne nun Herrn G.s Geschichte. Ich weiss, dass er mit Frau und 4 Kindern aus Syrien geflüchtet ist, er dort einer christlichen Minderheit angehörte, deren Stadt überfallen und zerstört wurde. Ich habe die Bilder auf seinem Handy gesehen, vor dem Überfall und danach. Sein Heimweh gespürt und seine Zuversicht, dass es hier besser wird. Er ist ein wunderbarer Familienmensch, in Frau und Kinder verliebt, um die 50, gut qualifizierter Projektmanager, aber mit unsicherem Aufenthaltsstatus. Er fahre jeden Tag 2 Stunden zu einem 3 Stunden Sprachkurs in St.Pölten und wieder 2 Stunden zurück. Er muss jetzt gut Deutsch lernen, um eine Arbeit zu finden. Er ist noch nicht lange da.
Wir sprechen die ganze Zeit auf Englisch. Wir haben einen gemeinsamen Bekannten. Wir freuen uns. Dieter hilft ihm und seiner Familie, mit der neuen Umgebung zurechtzukommen. Vor allem seine 17 jährige Tochter möchte gerne eine Ausbildung machen. Wofür sie sich denn interessiert? Er schaut mich ernst an. Er und seine Familie hätten so vieles durchgemacht. Sie würden deshalb Leiden gut verstehen. Seine Tochter möchte etwas mit Psychologie machen, um anderen Menschen zu helfen.
Ich bin berührt. Ich verstehe. Ich freue mich.
Und ich verstehe auch: Die drei Wochen Retreat haben mich den Menschen näher gebracht.