Starke Frauen des letzten Jahrhunderts – in wacher Beziehung zu sich selbst
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Ich bin grad einigen besonderen Persönlichkeiten auf der Spur. Geschichten von Frauenleben des letzten Jahrhunderts. Angefangen hat es mit diesem Film. Einem Film über Ruth Denison (1922-2015), einer amerikanischen Meditationslehrerin. Ein ruhiger starker Film. Du solltest dir Zeit nehmen dafür, er dauert eine Stunde und 40 Minuten..
Ruth Denison – Der lautlose Tanz des Lebens
Ruth Denison wurde in Deutschland geboren und starb mit 93 Jahren in den USA. Ihre Jugend war vom Nationalsozialismus geprägt, sie unterrichtete als Grundschul-Lehrerin und hatte in den Kriegswirren danach vieles zu erleiden. Der Vorsatz, sie wolle Gutes tun, würde sie diese Zeit überleben, begleitete sie in die Zukunft. In den 50er Jahren wanderte sie in die USA aus und ging ihren bemerkenswerten Weg. Ein schöner Nachruf dazu von Frank Leder und Annabelle Zinser findet sich in buddhismus aktuell: Ruth Denison – Pionierin des Buddhismus im Westen
Darin findet sich der Satz: „In den Kriegswirren durchlitt Ruth Todesangst und Gewalt in Zeiten von Flucht und Gefangenschaft in sowjetischen Arbeitslagern. Wenn sie in ihren Seminaren manchmal darüber sprach, dann ohne Bitterkeit oder Vorwurf: „Wir müssen für alles bezahlen“, war ihre Kurzformel für Karma. Sie teilte die Erfahrungen aus diesen dunklen Zeiten und machte jenen SchülerInnen, die selbst ein schweres Schicksal zu tragen haben und die Ruth für ihre Güte und Mitgefühl bewunderten, durch ihr Beispiel Mut...“
Über Ruth Denison führte mich der Weg zu Charlotte Selver und ihrer Sensory Awarness Arbeit (die Ruth Denison in ihre Mediationskurse eingebaut hatte).
Auch Charlotte Selver (1901 – 2003) ist geborene Deutsche, die 1938 zwangsweise in die USA emigrieren musste und bis ins hohe Alter unterrichtete. Hier ein 10 Minuten Filmbeitrag dazu
Charlotte Selver: Being More Present – Becoming More Substantial
Weiters nachzulesen ein Interview mit Stefan Laeng-Gilliatt, langjähriger Schüler von Charlotte Selver, das den Sensory Awareness Ansatz beschreibt und zum „Achtsamkeits“Ansatz der letzten Jahre und zum (Zen) Buddhismus in Beziehung setzt:
Sensory Awareness – Anwesend sein – in Kontakt sein – sein lassen.
Stefan Laeng-Gilliatt unterrichtet selbst und verfolgt das Projekt Charlotte Selver Oral History and Book Project. Dort werden wertvolle Informationen zum Lebenswerk dieser bemerkenswerten Frau gesammelt. Ausserdem habe ich dort wieder einen spannenden buddhismus aktuell Artikel von 2018 gefunden:
Als Bodhidharma einer Berliner Gymnastiklehrerin begegnete
Bemerkenswert darin, wie Charlotte Selver in den 50er Jahren Alan Watts kennenlernte. Eine Tante hatte ihr von ihm erzählt und gemeint „er spricht von dem, was du tust.“ Das wäre eine schöne Überschrift für eine andere Geschichte…
Ich hatte es vermutet und mich dann gefreut, richtig zu liegen, dass Charlotte Selver in jungen Jahren bei Elsa Gindler in Berlin gelernt hatte, Gindlers Ansatz in den USA später als „Sensory Awarness“ benannt, weiter gelehrt und vertieft hat.
Elsa Gindler (1885 – 1961) begründete gemeinsam mit Heinz Jakoby eine Schule für Bewegungspädagogik mit einem neuen Körperforsch- und -spür-Ansatz ohne Namen, noch heute in Deutschland hochgehalten in der Heinrich Jakoby Elsa Gindler Stiftung, wo du auch einige Publikationen zu Personen und Bewegungsansatz finden kannst.
In der Wikipedia Eintragung findest du Elsa Gindlers spannende Lebensgeschichte und den Satz: „Gindler sagte von sich selbst einmal, sie sei eine … eifrige Pionierin für die Körperbildung der Frau gewesen.“ Ausserdem ist ein Hinweis zu finden, nachdem Elsa Gindler bei Hedwig Kallmeyer und diese wiederum bei Genevieve Stebbin gelernt habe, eine US-amerikanische Tänzerin des 19. Jahrhunderts. Da geht also eine weibliche Linie nicht nur bis ins heute sondern auch schon voran.
Danke für eure starken Schultern! und eure Neugier.
Elsa Gindler war in den 20er Jahren massgeblich am Aufbau einer Gymnastikbewegung in Deutschland beteiligt, distanzierte sich jedoch, als diese von den Nationalsozialisten vereinnahmt wurde und beendete 1933 ihre Mitarbeit im Vorsitz des Deutschen Gymnastikbunds. Sie blieb in Deutschland und half von Nazis verfolgten Menschen, womit sie sich auch selbst in Gefahr brachte. Nach dem Krieg setzte sie ihre Arbeit in Berlin fort.
In den Biografien der drei Frauen tauchen prominente Namen auf wie Alan Watts, Aldous Huxley, Elsa Lindenberg und Wilhelm Reich, Ruth Cohn, Laura und Fritz Perls, Erich Fromm, Moshe Feldenkrais, Daisetz Teitaro Suzuki, Richard Baker, Shunryu Suzuki, Carl Rogers und Ida Rolf, um nur einige mir bekannte zu nennen. Sie alle wurden in ihren unterschiedlichen Wirkungsbereichen beeinflusst von der besonderen somatischen Körperarbeit, die von den drei Frauen entwickelt und erforscht wurde.
Interessiert hat mich der unterschiedliche Einfluss von und Umgang mit der nationalsozialistischen Zeit der drei Frauen. Wie hätten sich die Dinge ohne diese dunkle Ära entwickelt?
Interessiert hätte mich weiters, ob es nicht auch Verbindungen der drei Frauen zu Eugene Gendlin und Irene Tasker bzw. F.M. Alexander gegeben hat. Bis jetzt habe ich keine entdeckt. Aber das kann noch werden.
Danke liebe Andrea für deine Wertschätzung, die zu diesem Artikel geführt hat.