Achtsame Wirtschaft – Achtsame Gesellschaft?

„Ich habe einen Traum – von einer achtsamen Gesellschaft, in der die Menschen bewusst miteinander umgehen, in der sie um ihre Werte und Wertigkeiten wissen und sich entsprechend verhalten.  Von einer Gesellschaft, in der wir uns selbst, anderen Menschen und Lebewesen und unserer Umwelt wertschätzend, liebevoll und freundlich begegnen…“ so ähnlich habe ich mein Statement in der Arbeitsgruppe „Achtsame Gesellschaft“ begonnen.

Rahmen der Arbeitsgruppe war das Community Treffen des Netzwerks Achtsame Wirtschaft NAW vom 21. bis 25.8.13 im EIAB in Waldbröl unweit von Köln.

Das EIAB ist das Europäische Institut für Angewandten Buddhismus, das vor vier bis fünf Jahren von Zen-Meister Thich Nhat Hanh gegründet wurde.  Ein Riesenhaus (mit schwieriger Geschichte) in einem weitläufigen Part, in welchem an die 50 Nonnen und Mönche leben, viele davon vietnamesischer Herkunft, mit einer Atmosphäre, die etwas ganz Besonderes ist. Wie soll ich das bloss beschreiben..

Das Netzwerktreffen war eine Mischung aus Retreat und Seminar,  gekonnt geleitet von Kai Romhardt, dem Gründer des Netzwerks, den ich ja in diesem Blog schon öfter erwähnt habe (und noch öfter erwähnen werde 🙂 . Wir standen um 5 Uhr auf, praktizierten Sitz- und Gehmeditation und hatten vor dem Frühstück noch eine Runde Bewegung mit dem Bamboo Stick unter kundiger Anleitung eines Bruders, dessen Lächeln mir heute noch in bester Erinnerung ist.

Achtsames Essen

Bis nach dem Frühstück um 8:00 Uhr wurde edles Schweigen eingehalten. Allein die Mahlzeiten in der Kloster-Gemeinschaft waren ein einmaliges Erlebnis. Achtsames Essen, langsam, bewusst, genussvoll, ganz da. Essen beim Essen, sonst nichts. Du verbeugst dich zur Begrüssung vor deinen TischgenossInnen und verabschiedest dich auch wieder, wenn du gehst. Beim Essen  legst du immer wieder das Besteck zur Seite, um dich ganz auf das Kauen und Schmecken zu konzentrieren. Beim Schlag der Wanduhr hältst du inne, in dem, was immer du auch gerade tust.  Gleichzeitig mit dir machen das alle anderen 70 Menschen im Raum. Das verbindet auf eine ganz besondere Art.  Eine kollektive Sammlung im Augenblick.  Stille vom Feinsten.

Bunt gemischt mit einer Haltung

Waren wir die ersten beiden Tage noch an die 10 Personen, kamen zum zweiten Teil des Treffens nochmals 20 Menschen hinzu. Die Zusammensetzung war kunterbunt, von der PR-Beraterin, der BankAngestellten, dem Trainer und dem frisch gebackenen Uniabsolventen bis hin zur Führungskraft in einem multinationalen Konzern,  dem Geschäftsführer, dem Naturwissenschafter und dem Therapeuten. Bunt zusammengesetzt wie unsere Wirtschaft auch. Mit einer Gemeinsamkeit:  Alle haben Erfahrung mit der Haltung von Achtsamkeit, wobei auch hier die Bandbreite vom begeisterten Anfänger bis zur langjährig Praktizierenden reichte.

Als Ziel des CommunityTreffens wird auf der NAW Website beschrieben:

„Wir hören von den Erfahrungen, Projekten und Visionen anderer. In dieser Atmosphäre der Achtsamkeit und Entspanntheit gewinnen wir Einsichten, Kraft und Freude und sehen, wie wir selbst Achtsamkeit in unser Leben und Wirtschaften bringen können.

Das Community Meeting bietet den Raum für die Vertiefung unserer Praxis und ist gleichzeitig der Ausgangs- und Verbreitungspunkt neuer Ideen, Projekte und Initiativen.“

So gestaltete sich das Treffen auch.  Themen der 4 Tage waren bspw. Achtsamer Konsum, achtsame Arbeit, achtsame Organisation oder achtsame Gesellschaft. Behandelt wurden sie in einer Mischung aus Kontemplation, stiller Reflexion, Austausch und Visionen Teilen. Mal laut, mal leise, mal zu zweit, mal in der Riesengruppe, mal in einer kleineren Arbeitsgruppe.

Achtsame Kommunikation

Sehr fein fand ich die Methode der achtsamen Kommunikation, in der eine Person nach der anderen zu Wort kommt, ohne von anderen unterbrochen zu werden. So wird nicht im eigentlichen Sinne diskutiert, sondern geht es mehr um ein Teilen und tiefes  Zuhören.

Ich könnte jetzt noch vieles erzählen, vom Haus, der Gemeinschaft, der NAW-Community… Doch ich lass es gut sein. Du kannst ja selbst auf die Websites schauen und dich informieren..

Resumee:  Die Tage waren sehr dicht und voll, doch in Summe sehr fruchtbar und überaus ermutigend. So viele interessante und kreative Menschen und so viel gemeinsamer Geist!
Ich denke, man kann Jürgen recht geben, wenn er sagt, es sei eine gute Zeit für das Netzwerk. Es würde eben eine Tür aufgehen, die vieles möglich mache, was bisher unvorstellbar gewesen sei…
Vielleicht gehts ja doch in Richtung meines Traums?

Naja, bis es soweit ist, schau ich, was ich selbst dazu beitragen kann…

Nachtrag – Nachlese von Kai aus dem NAW- Newsletter vom 13.9.13

„Vor zwei Wochen ging unser 2. Community Meeting zu Ende und es war in vielem ein besonderes Zusammensein, in dem wir uns zu gleich „leicht“ und „tief“ mit uns selbst und anderen verbinden konnten. Eine etwa einstündige Vorstellung der aktuellen Entwicklungen im Netzwerk kann man hier nachhören.

Bestehende Regional- und Initiativgruppen wurden gestärkt und neue gegründet, Ideen und Freundschaften sind entstanden und vielleicht das Wertvollste, wir haben gemeinsam erfahren, dass wir nicht alleine auf dem Weg sind, dass Alternativen zum vorherrschenden Wirtschaftssystem existieren und dass es große Freude bereitet, mit Weggefährten gemeinsam voran zu gehen. Und wie wichtig es ist, Räume zu haben, in denen wir uns jenseits von Vergleich, Berechnung und Erfolgszuschreibung bewegen und begegnen können.

Auf facebook finden sich weitere Impressionen (mit schönen Fotos! Anm. Ulli) unserer Zeit im EIAB. Nächstes Jahr wird das Community Meeting dann vom 28. Mai bis 1. Juni stattfinden, save the date… :-).

Wer nicht dabei sein konnte, dem bietet der Herbst reiche Gelegenheit, zentrale Aspekte achtsamen Wirtschaftens zu vertiefen (siehe rechte Spalte). In Wien, Melk, Frankfurt, nochmals in Wien und im EIAB werden wir uns versammeln. Eine Übersicht findet sich hier.

Mit den Impulsabenden in Berlin und den multilokalen Gehmeditationen, mit denen seit drei Monaten die Initiativgruppe Hannover experimentiert, haben wir zwei neue Formate etabliert, die sich bewährt haben und deren Erfahrungen wir gerne mit anderen Gruppen teilen.

Zum Abschluss wollen wir noch auf einen Grundlagenartikel zum Thema „Achtsames Wirtschaften“ hinweisen, den ich für den ZEIT-Herausgeberband: „Die ZEIT erklärt die Wirtschaft“ geschrieben habe, er fasst viele Erfahrungen der letzten Jahre im NAW zusammen. Die Auseinandersetzung mit den dort vorgestellten Erfahrungen, mag uns im Dialog mit verschiedensten Wirtschaftsakteuren Anregungen und frische Argumente geben.“

 Fein, die Möglichkeiten des Internet, das alles nachzuhören, nach- und vorzulesen.
Findest Du nicht auch?

 

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